Der optimistischen Endzeitsicht liegt hauptsächlich die präteristische Deutung der biblischen Prophetie zugrunde. Präteristisch bedeteutet: die Erfüllung dieser Vorhersagen liegt bereits in (unserer) Vergangenheit. Gemäß dieser Interpretation der Texte haben sich die Gerichtsandrohungen in biblischen Zukunftsvoraussagen des Neuen Testamentes, insbesondere die aus Matth. 24 und der Offenbarung, größenteils in den jüdischen Kriegen des ersten Jahrhunderts, sowie in der Belagerung und Zerstörung Jerusalems in den Jahren ca. 64 - 70 n. Chr. erfüllt. Darin begründet sich die Sichtweise, dass wir nicht mehr auf eine ‘große Trübsal’, ein antichristliches Weltreich oder die Ausgießung der Zornesschalen Gottes über die Welt warten. All dies, liegt bereits in der Vergangenheit und hat sich mit der Zerstörung des Tempels und den begleitenden Ereignissen erfüllt. Dabei entstehen zumeist bei futuristisch, dispensationalistisch geprägten Christen natürlich eine ganze Reihe von Fragen, von denen ich einige hier versuche zu beantworten: Wenn mit der “Schlacht von Harmagedon” die Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. gemeint ist, dann müssten ja die sieben Zornesschalen bereits damals ausgegossen worden sein. Es kann gar nicht sein, dass sich diese katastrophalen und apokalytischen Ereignisse damals erfüllt haben. Nun, es ist schwierig einen Text zu verstehen und zu argumentieren, wenn man verschiedene hermeneutische* Grundvoraussetzungen hat, mit der man an diesen Text herangeht. Ich versuche mal meine hermeneutischen Eckpunkte darzulegen und dann aus diesem Verständnis eine Antwort zu geben auf die Frage nach den sieben Zornesschalen. 1.) Sind die Ereignisse, die in der Offenbarung beschrieben sind, lokale oder globale Ereignisse? Die futuristische, dispensationalistische Auslegung sieht darin immer weltweite und globale Plagen und Katastrophen. Doch ist das zwingend die richtige Lesart der Offenbarung? Es gibt hier einige Begriffe im griechischen Grundtext, die nicht so eindeutig übersetzbar sind, wie wir es gerne hätten, und die einen gewaltigen Unterschied darstellen, je nach dem welche Lesart man wählt. Da ist zuerst das gr. Wort GE, das sowohl mit 'Erde’, als auch mit 'Land’ übersetzt werden kann. Off 16,1 - Dann hörte ich, wie eine laute Stimme aus dem Tempel den sieben Engeln zurief: Geht und gießt die sieben Schalen mit dem Zorn Gottes über die Erde (oder: über das Land)! Je nachdem welche Übersetzung man wählt, werden aus den Zornesschalen regionale oder aber globale Ereignisse. Dann das Wort THALASSA, das sowohl mit Meer, als auch mit See übersetz werden kann. THALASSA wird meist für das Mittelmeer verwendet, aber auch für den See Genezareth (der ja auch als das 'galiläische Meer’ bezeichnet wird). Off 16,3 - Der zweite Engel goss seine Schale über das Meer (oder: den See / das Mittelmeer). Da wurde es zu Blut, das aussah wie das Blut eines Toten; und alle Lebewesen im Meer (oder: im Mittelmeer / im See) starben. Sieht man in THALASSA die Weltmeere, sind es globale Ereignisse; - sieht man hingegen das Mittelmeer oder den See Genezareth, sind es regionale Ereignisse. Und dann ist da noch das Wort PHYLE, dass sowohl mit 'Nation’ und 'Volk’, oder aber mit 'Stamm’ übersetzt werden kann. Im NT wird es hauptsächlich in der Bedeutung von 'Stamm’ verwendet, um die zwölf oder einen der Stämme Israels zu bezeichnen. Auch hier ergibt sich je nach verwendeter Übersetzung eine regionale oder globale Bedeutung. Diese Unterschiedliche Dimension der Ereignisse wird sehr schön deutlich, in den Unterschiedlichen Lesarten von Offenbarung 1,7: … und es werden wehklagen um seinetwillen alle Völker der Erde. Der Gesamtkontext der Offenbarung gibt meiner Meinung nach eher eine regionale als eine globale Deutung der Ereignisse vor. 2.) Die Offenbarung ist ein prophetisch-symbolisches Buch. Es verwendet eine reiche Bildersprache, die der prophetischen Symbolik des alten Testamentes entspringt. Wenn bspw. davon die Rede ist, dass der Euphrat austrocknet, dann ist höchstwahrscheinlich nicht gemeint, dass der physische Fluß Euphrat in Mesopotamien buchstäblich austrocknet, sondern wir müssen uns die Mühe machen, im Alten Testament nachzusehen, was es bedeutet, dass ein Fluß austrocknet und wofür der Euphrat im übertragenen Sinn steht. Der Versuch die Offenbarung wörtlich auszulegen entspringt dem edlen Vorhaben, die Bibel ernst zu nehmen, aber leider ergibt sich dabei oft genau das Gegenteil, wenn man einen symbolischen Text versucht wörtlich auszulegen: die Aussagen der Bibel werden in ihrem Sinn verfälscht und verdreht - es entsteht Verwirrung. Gerade bei den sieben Zornesschalen ist die Ähnlichkeit mit den Plagen Ägyptens nicht von der Hand zu weisen. Es ist eine prophetisch-poetische und symbolische Darstellung, dass das Volk Israel nun zum Schluß genau die Plagen erleiden muß, mit denen Gott einst seine Feinde schlug und damit der Fluch, den sie auf sich selbst gebracht haben, indem sie allezeit dem Heiligen Geist widerstanden, Gottes Boten, die Propheten getötet, und am Ende sogar den Sohn und den Messias kreuzigten, auf schreckliche Weise dabei ist, sich zu erfüllen. Dabei ist nicht in erster Linie wichtig zu fragen, wie sich die einzelnen Schalen wörtlich erfüllt haben, sondern die schreckliche Dimension von Gottes Gericht über Israel zu erkennen, das einst nur seinen Feinden galt. Dabei sollte Israel erkennen dass es in seiner Widerspenstigkeit zum Feind Gottes wurde. Die wiederholte Feststellung, dass sie trotz der Plagen nicht Buße tun wollen, unterstreicht dies sehr klar. 3.) Der Text der Offenbarung selbst, gibt einen Zeitrahmen vor, in dem sich die Voraussagen erfüllen werden. Off 1,1+3 - Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen Knechten zeigt, was bald geschehen muss; … Selig, wer diese prophetischen Worte vorliest und wer sie hört und wer sich an das hält, was geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe. Immer wieder wird im Text der Offenabarung selbst darauf hingewiesen, dass ihre Vorhersagen sich 'bald’, 'in Kürze’ und in 'naher Zeit’ erfüllen würden. Gerade Vertreter der 'bibeltreuen’ Schule, die darauf bestehen, die Offenbarung wörtlich auszulegen, drücken bei diesen konkreten Zeitangaben alle Augen zu und verschieben die Erfüllung entgegen der ausdrücklichen Zeitangabe des Autors in eine ferne Zukunft. Das ‘bald’ muss dabei natürlich vom Standpunkt des Autors und der Adressaten des Originals im ersten Jahrhundert gesehen werden. Wenn man nun diese drei hermeneutischen Grundsätze bei der Auslegung des 16 Kapitels der Offenbarung beachtet, ist es ganz und gar nicht mehr so unvorstellbar, dass sich die sieben Zornesschalen in der Geschichte des Gerichts über Israel und Jerusalem rund um die Ereignisse von 70 n.Chr. erfüllt haben. Ich versuche nun als Beispiel vor diesem Hintergrund die sechste Zornesschale zu erklären. Hier heisst es: Offenbarung 16,12-16 - Und der sechste Engel goß seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat; und sein Wasser vertrocknete, damit den Königen vom Aufgang der Sonne der Weg bereitet würde. Die symbolische Sprache dieser Passage erinnert wie bereits erwähnt an die Plagen in Ägypten und an die Befreiung und den Auszug des Volkes Israel. Nur ist es hier so, dass die Geschichte genau umgekehrt wird und Israel nun das widerfährt, was damals seinen Feinden geschah. Das ist der Ausdruck davon, dass Israel nun unter dem Fluch und unter Gericht steht, wie damals seine Feinde. Als erstes fällt die Schale auf den Euphrat und er wird ausgetrockent. Das erinnert an den Durchzug durchs rote Meer und den Jordan. In beiden Geschichten trocknete ein Gewässer aus und bereitete den Weg für das Volk Israel. Hier wird jedoch der Weg für die Feinde bereitet, nämlich den 'Königen aus dem Westen’. Der Euphrat ist im natürlichen die nördliche Begrenzung Israels und ist tatsächlich der Weg, über den die Armeen von Titus aus Rom (aus dem Westen) einmarschiert sind. Ob der Euphrat dabei tatsächlich austrocknet ist hier nicht wirklich relevant, denn es handelt sich wie gesagt um symbolische Sprache. Dass hier von Königen (im Plural) die Rede ist, scheint verwirrend zu sein. Es kann damit erklärt werden, dass hier die sonst lokal angesiedelten Ereignisse plötzlich eine Globale Dimension erhalten. Johannes benutzt hier die beiden Worte GE (Land) und OIKUMENE (Welt) um klar zu machen, dass die Feinde hier von aussen kommen. Zudem ist es historisch erwiesen, dass nicht nur die römischen Armeen nach Jerusalem marschierten. Es haben sich ihnen auch andere Könige auf dem Weg angeschlossen, so z.Bsp. Sohaemus von Emesa und Antiochos I. von Kommagene. Uns allen ist bewusst, dass das römische Reich zur damaligen Zeit ein Weltreich war, das aus unzähligen Königtümern, Stämme und Völkern bestand, die alle Vasallen Roms waren, so dass die römischen Armeen tatsächlich die Könige der ganzen (damaligen) Welt repräsentierten. Nun sieht Johannes drei Frösche, die jeweils aus dem Mund von drei anderen Gestalten hervorkommen. Einer kommt aus dem Mund des Drachens, einer aus dem Mund des Tieres und einer aus dem Mund des falschen Propheten. Es sind, wie Johannes erklärt, drei dämonische Geister, die eben diesen Aufmarsch der Könige der Welt gegen Jerusalem “anstiften”, die dann später über den Euphrat einmarschieren. Es beschreibt, wie sich Satan selbst (der Drache), das römische Reich (das Tier / Nero) und die religiöse Führerschaft Israels (der falsche Prophet) zusammentun und aus dieser dämonischen Konstellation der Weg gebahnt wird für die apokalptischen Ereignisse, die bald ihren Höhepunkt erreichen sollen. Als Symbol werden dabei die Frösche verwendet, die ebanfalls aus den Plagen Ägyptens bekannt sind. Der Frosch ist ein unreines Tier und ist gekennzeichnet durch sein Aufblähen und sein Quaken. Er steht für den Stolz und das erhabene Gerede dieser drei 'Reiche’. Auch in der Geschichte der Befreiung aus Ägypten kamen die Frösche aus dem Fluß. Im Vers 15 ist dann davon die Rede, dass der Herr kommt wie ein Dieb. Damit ist der große Tag des Herrn gemeint, der ‘wie ein Dieb’ kommt. Wer aufmerksam die gesamte alttestamentliche Prophetie studiert, wird immer wieder darauf stoßen, dass hiermit immer das Gericht Gottes gemeint ist, das mit dem Volk Israel im Zusammenhang steht. Es ist entweder das Gericht an den umliegenden Völkern, die Gottes Bundesvolk angetastet haben, oder aber das Gericht an Israel selbst, die den Bund mit Gott gebrochen haben. Niemals ist damit einfach ein weltweites Gericht Gottes gemeint, dass über alle Menschen kommt, weil sie so böse sind. Damit würde Gott sich selbst untreu und zum Lügner werden, denn er hat Noah versprochen, dass er nie mehr die ganze Erde vernichten wird. Wir müssen verstehen, dass Gottes Gerichtshandeln und sein Zorn immer im Zusammenhang mit dem mosaischen Bund steht, niemals aber die “Wut” eines launischen Gottes beschreibt. Wie könnte Gott am Ende die ganze Welt vernichten, für die Christus ein für alle Mal gestorben ist und von der er selbst sagt, dass er ihr ihre Sünden nicht mehr zurechnet (2. Kor 5,19). Die allermeisten Stellen im Alten Testament, in denen der 'Tag des Herrn’ erwähnt wird, sprechen vom Tag des Gerichts über das abgefallene Israels und vom Ende dieses alten und überholten religiösen Systems. Somit wird klar, dass dieser Tag bereits in der Vergangenheit liegt. Es waren die Armeen der ganzen Welt, die 70 n.Chr. unter der Führung des römischen Generals Titus in Judäa einmarschiert sind, Jerusalem belagert und am Ende geschleift haben. Genau so, wie es auch Lukas beschreibt. In seiner Version der 'Endzeitreden Jesu’ (Mt 24) redet er nicht bildhaft vom 'Greuel der Verwüstung’, sondern nennt ganz deutlich beim Namen was geschehen wird: Lukas 21,20 - Wenn ihr aber Jerusalem von Heerscharen umzingelt seht, dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe gekommen ist! 21 Dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen, und die, die in seiner Mitte4 sind, daraus fortgehen, und die, die auf dem Land sind, nicht dort hineingehen. 22 Denn dies sind Tage der Rache, dass alles erfüllt werde, was geschrieben steht. “Dies sind die Tage der Rache!”. Lukas sagt es selbst: das ist der Tag des Herrn, an dem alles sich erfüllen wird, was die Propheten darüber gesagt haben. Die Gute Botschaft bleibt also: Wir warten nicht mehr bange auf den 'Tag des Herrn’, der ein Tag des Gerichts ist, denn dieser liegt bereits in der Vergangenheit. Nein, wir sind Teil davon, das Reich Gottes überall auf dieser Erde auszubreiten, die Christus bereits durch sein Blut erlöst und erkauft hat. Die Wüste wird wieder in einen blühenden Garten verwandelt! Um es mit den Worten von John Wesley zu sagen: “Alle unvoreingenommenen Personen sehen es mit ihren eigenen Augen, dass Gott bereits dabei ist, das Angesicht der Erde zu erneuern: und wir haben allen Grund zur Annahme, dass er damit fortfährt bis zum Tag des Herrn Jesus Christus; dass er niemals dieses gesegnete Werk des Heiligen Geistes unterbrechen wird bis er alle Verheissungen erfüllt und der Sünde, dem Elend, der Krankheit und dem Tod ein Ende bereitet hat; und Heiligkeit und Glückseligkeit wiederhergestellt ist; so dass alle Erdenbewohner voll Freude gemeinsam „Halleluja“ singen.” * Die Hermeneutik (altgriechisch ἑρμηνεύειν hermēneúein ‚erklären‘, ‚auslegen‘, ‚übersetzen‘) ist eine Theorie über die Interpretation von Texten und über das Verstehen. Beim Verstehen verwendet der Mensch Symbole. Er ist in eine Welt von Zeichen und in eine Gemeinschaft eingebunden, die eine gemeinsame Sprache benutzt. Nicht nur in Texte, sondern in alle menschlichen Schöpfungen ist Sinn eingegangen, den herauszulesen eine hermeneutische Aufgabe ist. In der Antike und im Mittelalter diente die Hermeneutik als Wissenschaft und Kunst der Auslegung (Exegese) grundlegender Texte, besonders der Bibel und Gesetze. In der Neuzeit weitete sich ihr Anwendungsbereich aus. Sie entwickelte sich zu einer allgemeinen Lehre von den Voraussetzungen und Methoden sachgerechter Interpretation und zu einer Philosophie des Verstehens (QUelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik)
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11/29/2016 09:48:01 am
“Alle unvoreingenommenen Personen sehen es mit ihren eigenen Augen, dass Gott bereits dabei ist, das Angesicht der Erde zu erneuern: und wir haben allen Grund zur Annahme, dass er damit fortfährt bis zum Tag des Herrn Jesus Christus; dass er niemals dieses gesegnete Werk des Heiligen Geistes unterbrechen wird bis er alle Verheissungen erfüllt und der Sünde, dem Elend, der Krankheit und dem Tod ein Ende bereitet hat; und Heiligkeit und Glückseligkeit wiederhergestellt ist; so dass alle Erdenbewohner voll Freude gemeinsam „Halleluja“ singen.”
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